deN fokuS verliereN

Ich stehe auf, weil ich etwas vor hatte, bleibe nach ein paar Metern stehen und verweile. Was wollte ich nochmal? War es überhaupt wichtig? Der Kloß im Hals meldet sich. Runterschlucken.

Kommt wieder.

Die aufmunternde Musik, die ich mir dann auf die Ohren lege macht mich nach 1 Minute so wahnsinnig, dass ich fast meinen Kopfhörer in die Ecke pfeffere. Das Karussell beginnt und mit ihm das wahre Lied meines Lebens, jenes, dessen graue Refrains die Endlosschleife des Ergebnisses vom Scheitern darstellen.

Mein Lied.

Mein Lied ist jenes, welches im Abspann eines Kinofilmes läuft, ganz zuletzt, wenn schon die meisten -wenn nicht gar alle- Gäste den Saal verlassen haben. Für einen Hit nicht geeignet, aber auch nicht für die Löschtaste.
Die meisten Menschen hören es nicht und wollen es auch nicht.

Es ist das Lied, welches den Fokusverlust stimmungsvoll untermalt, begleitet und dann davonträgt. Bei mir ist es immer eines mit Orgeln, hellen Chören und raumgreifenden, meist sphärischen Klänge, zuweilen auch rhytmische Herzklopfimitationen.

Der Fokusverlust ist wie das Unscharfstellen an einer Kamera, wenn diese nicht so genau die Schärfe trifft. Man erkennt alles, doch es verschwimmt. Das Ziel verliert an Kontur, anderes überlagert sich in den Aufmerksamkeitsbereich, bleibt störend an seinem Platz. Das sind die ich-mag-nicht-mehr-Momente, wenn das Herz blutet und der Kopf die Wunde nicht heilen kann. Die Wichtigkeit aller Dinge rückt beiseite, zur Nebensächlichkeit degradiert, denn in Wahrheit ist alles doch unwichtig.

Alles, was wichtig ist, wird egal, entgleitet. Selbst das Schreiben ist mühsam, mir eigentlich egal und ich muss mich zwingen, dran zu bleiben.

Mir fehlt die Unbeschwertheit der Jugend und die sorgenlose Träumerei. Um mich herum ist alles immer so wahnsinnig wichtig und dramatisch und ich verstehe das meiste nicht, weiß nicht, warum man sich so aufregt oder Dingen so viel Wert beimißt, die für mich inhaltslos erscheinen.

Der Fokusverlust kommt in Wellen, man merkt es, wird meist angeteasert, er ist aber nicht aufzuhalten. Man muss einfach ein paar Tage aushalten und warten, bis es vorbei geht, bis man wieder frohen Mutes in den Tag starten kann. Bis dahin ist aufstehen nur kräftezehrend und der Tag ohne Energietank’schlafpause nicht zu schaffen … jedenfalls nicht, wenn man etwas zu Wege bringen mag.

Ich hasse diesen Kontrollverlust, weil man wieder nach Verständnis bitten oder auf Nachsicht hoffen muss.

sk